Das was einem hier wohl am meisten und offensichtlichsten aufstößt sind die öffentlichen Verkehrsmittel. Die gleichzeitig irgendwie Fluch und Segen sind. Nachdem ich so einiges von meinem Mitfreiwilligen Timon mitbekommen habe und meine Gastmutter mir auch einiges erklärt hat, war ich wirklich skeptisch.
Das, was mich am meisten verunsichert hat ist das System mit den Bushaltestellen hier. Wenn man das überhaupt so nennen kann…
Denn die Bushaltestellenschilder sehen alle gleich aus.
Blau, weißes Piktogramm, „Parada de Bus“.
Zwar haben die Haltestellen eigentlich Namen, die stehen aber nicht auf den Schildern drauf. Genauso wenig die Linien, die dort halten, geschweige denn, die Routen, die sie fahren.
Wie man dann zurecht kommt? Das habe ich mich auch gefragt.
Die Antwort ist genauso einfach, wie hirnverbrannt. Man muss einfach wissen, wie.
Will man also irgendwo hin, begibt man sich an eine Bushaltestelle in der Nähe. Buslinien muss man auswendig wissen, oder man fragt (dafür ist mein Spanisch aber noch ein bisschen zu schlecht).
An der Haltestelle heißt es warten. Warten darauf, dass ein Bus kommt, und dann hoffentlich auch noch der Richtige.
Denn die genauen Abfahrtszeiten sind nicht bekannt. So kann es sein, dass manchmal schon nach einer Minute das richtige Gefährt die Straße herabkommt, an anderen Tagen steht man sich schonmal gut und gerne zehn bis fünfzehn Minuten die Beine in den Bauch.
Dieses Warten finde ich eigentlich am schlimmsten. Vor allem wenn ich irgendwo pünktlich sein muss und nicht abschätzen kann ob ich es noch schaffe, oder nicht.
Deswegen bin ich anfangs auch immer viel zu früh Richtung Arbeit aufgebrochen.
Mittlerweile weiß ich aber, dass der Bus den ich brauche, morgens relativ regelmäßig kommt.
Das heißt zehn Minuten länger schlafen für mich 😉
Hat man dann das Glück, dass der richtige Bus vorbeikommt, muss man fix sein.
Sobald man die Zahl, die auf einem Schild vorne im Fenster steht, als die benötigte erkennt, heißt es an den Straßenrand treten und mit vollem Selbstbewusstsein die Hand ausstrecken – sonst hält der Bus nicht.
Eigentlich praktisch, dann gibt es keine unnötigen Stopps – gleichzeitig aber auch immer ein absoluter Stress, die Busnummer früh genug zu erkennen. Habe deswegen schon fast mit dem Gedanken gespielt mir eine Brille zuzulegen.
Manchmal hält der Bus aber auch so nicht. Auch mir ist es schon passiert, dass ein Bus einfach mit voller Geschwindigkeit an mir vorbeigebrettert ist. Ob es an fehlender confidence lag? Oder ob sonst nie jemand an diesen Haltestellen einsteigt? Ich weiß es nicht, aber trotzdem ziemlich blöd, wenn man auf einmal nach stundenlangem warten (okay, es waren 50 Minuten) ohne ÖPNV an der dunklen Straße steht und sich einen Plan B überlegen muss – aber das ist eine andere Geschichte.
Eingestiegen wird nur vorne beim Busfahrer. Dazu ist die Tür immer offen, auch während der Fahrt. Zack, zack, Fuß aufs Trittbrett, schon geht die wilde Fahrt weiter, einsteigen und die „Tarjeta de Bus“ am Kartenlesegerät scannen.
Dann ertönt es, je nach Kartenart „Gracias“ (die roten, normalen), „Bienvenido“ (die gelben, für Senioren), oder „Estudiante“ (die blaue, Schüler).
Damit wird der entsprechende Betrag vom eingezahlten Guthaben abgebucht. Für mich sind das 30 Cent pro Fahrt. Also pro Bus, egal, wie weit, oder kurz.
Schüler und Senioren zahlen natürlich weniger (ich glaube es sind 15 Cent) und Kinder bis zu einem gewissen Alter garnichts.
Ist das Guthaben leer, hat man eine finale Fahrt (dann plappert das Gerät „credito“), quasi mit Kontoüberzug.
Danach muss man die Karte schleunigst wieder aufladen. Das geht in allen möglichen Tiendas, also kleinen Geschäften. Oft wird das schon auf einem Schild vor dem Verkaufsfenster angepriesen, oder man fragt eben kurz nach. Tut man das nicht, gibt es aber durchaus andere Wege Bus zu fahren.
Mann war ich verwirrt, als das erste Mal jemand im Bus einstieg, irgendjemand auf rasantem Spanisch in meine überforderten Ohren plapperte, immer wieder auf den Kartenscanner deutete und mir Geld in die Hand drücken wollte.
Bis ich verstanden hab, dass besagte Person mich gebeten hat, meine Karte für sie zu scannen, hatte ich schon einen hochroten Kopf und alle anderen mitbekommen, dass ich definitiv nicht von hier komme.
Im Bus gibt es immer die gleichen, blauen und harten Plastiksitze. Die gelben sind jeweils für Ältere und Schwangere, oder Mütter reserviert – eigentlich wie in Deutschland.
Die Busfahrt selbst ist meistens ziemlich rasant und hat mir anfangs regelmäßig Herzklopfen beschert. Da thronen die Busfahrer, super entspannt vorne neben den riesigen Schaltknüppeln, mit lauter Radiomusik oder dem aktuellen Fußballspiel und rasen wie die Teufel.
Prinzip – ich bin der Größere.
Mit der Zeit gewöhnt man sich aber an diesen Stil und mittlerweile trödle ich eigentlich immer ziemlich entspannt auf meinem Sitz rum. Zum Aussteigen werden nur die hinteren beiden Türen genutzt.
Sobald die richtige Haltestelle in Sicht kommt, heißt es aufstehen, nach hinten gehen und Knöpfchen drücken. Eigentlich ziemlich leicht.
Zumindest, wenn der Bus nicht proppenvoll ist. Morgens darf ich mich regelmäßig zwischen Rucksäcken, Hintern und Rücken hindurchquetschen. Denn vorne aussteigen geht ja nicht.
Kleines weiteres Hindernis – man muss auch hier wieder die Haltestellen kennen. Zwar werden diese meistens durchgesagt, oder laufen vorne auf dem LED Band, allerdings auch nur in der Hälfte der Fälle. Manchmal ist auch einfach eines, oder beides ausgestellt, oder fehlerhaft.
Hält der Bus dann, aussteigen. So schnell wie möglich und manchmal noch im Fahren.
Vor allem am Anfang war ich mit diesem Fortbewegungsmittel komplett überfordert.
Wo muss ich einsteigen, aussteigen, meine Karte ist leer, der Bus ist an mir vorbeigefahren. Alles schon passiert.
Aber ist man einmal drin, hält der Alltag schnell seinen Einzug.
Mittlerweile fahre ich sogar nicht nur an bekannte Orte mit bekannten Linien.
Dank einer wundervollen App, die mir Timon empfohlen hat, komme ich auch ohne jahrelanges Insiderwissen ganz gut zurecht.
(Achtung, Werbung ;)) Mit moovit, kann ich Standort und Zielort angeben und bekomme Linien und jeweilige Bushaltestellen angezeigt.
Zum Aussteigen hole ich einfach mein Handy raus und schaue, wo ich gerade auf der Karte bin. Auch wenn man das im ÖPNV eigentlich nicht so wirklich benutzen soll. Aber solange ich vorne stehe, mit der Hüllenschlinge ums Handgelenk, nehme ich das in Kauf, um auch im Alltag mobil zu sein.
(Kleiner Kommentar der Zukunftshannah: Busfahren mit Handy ist (zumindest in Cuenca) absolut sicher. Oder sagen wir mal ziemlich sicher. Das war ein bisschen Panikmache meiner Organisation und Vorurteile die mich da verunsichert haben. Bin ich in anderen Städten unterwegs achte ich einfach auf meine Umgebung. Hat niemand sein Handy draußen, nutze ich es auch nicht. Wenn doch und ich mich sicher fühle, nutze ich es, so einfach ist das :))
Zu allen meinen bisherigen Bus-Erfahrungen muss man hinzufügen, dass ich die alle hier in Cuenca (absolute Großstadt) gemacht habe. Auf dem Dorf, oder kleineren Städten ist das alles nochmal eine Stufe extremer. Zumindest von dem was ich gehört habe.
Keine Haltestellen, festen Routen, Tarjetas de Bus.
Aber sobald ich meine ersten Erfahrungen mit Provinzbussen mache gibt es nochmal ein Update.
Bis dahin, Hasta Luego!
Hannah
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