Ich glaube jeder kennt es. Die Insecurities über den eigenen Körper. Zu mollig, zu schlaksig, zu große Brüste, zu kleiner Po, zu klein im Generellen, X-Beine, schiefe Zähne – die Kritik von uns selbst an uns selbst hört und hört nicht auf.

Und ich kenne niemanden, der nicht mit solchen Gedanken struggelt. Umso mehr überrascht hat mich, wie sehr sich mein eigenes Körperempfinden hier in Ecuador verbessert hat – und das obwohl hier Kommentare über Körper eigentlich an der Tagesordnung liegen.

Passt irgendwie nicht ganz zusammen oder? Denn solche Kommentare können echt fertig machen. Ich bekomme davon zum Glück nicht so viel ab, einheimische Freunde, Bekannte und Kollegen aber definitiv. Ich erinnere mich noch ziemlich gut über die erste Bemerkung meines Gewichts. Das war letzten Oktober, beim Treffen mit meiner Mentorin wegen des Umzugs. Kaum war der erste Smalltalk vorüber, sagt sie doch tatsächlich zu mir

„Du hast auch zugenommen oder? Kommt das davon dass du so lange krank warst?“Das hat mich erstmal von den Füßen gefegt. Ich wusste dass solch ein Umgang hier Gang und Gebe ist, bin es aus Deutschland aber einfach nicht gewohnt.Ich weiß nicht, ob ich ihr wegen dieses kleinen Schlags ins Gesicht böse bin, weiß ich doch, dass sie es nicht besser weiß und so durchaus echte Besorgnis ausdrückt.

Empört bin ich trotzdem bis heute. Mein Körper, meine Verantwortung und ein oder zwei Kilo mehr oder weniger sind kein Grund für gesundheitliche Bedenken. Stattdessen wird gesät, womit man tagtäglich irgendwie kämpft – Verunsicherung. Habe ich wirklich zugenommen?

Und jetzt sitze ich hier, fünf Monate später, und mir könnte diese Bemerkung egaler nicht sein.

Passt irgendwie nicht ganz zusammen? Das stimmt. Aber es sind keine Wörter oder Bemerkungen die mich an diesen Punkt gebracht haben, sondern die allgemeine, alltägliche Wahrnehmung meines Umfelds. 

 

Es mag seltsam klingen, aber ich habe das Gefühl hier auf den Straßen ein viel breiteres Spektrum an Körpern und Körpergrößen zu finden, als in Europa. Und auch weniger Idealisiert. Hier gibt es nicht den Prototypen schlank, groß, kurvig, langbeinig, aber vor allem schlank.

Kleinere, molligere Menschen. Mit Bäckchen und ohne, mit Oberweite oder ohne, mit breiten Beinen oder ohne werden ebenso als schön empfunden.

Oder zumindest ist das mein Eindruck, wenn ich Gespräche mit Freunden oder Kollegen oder auch neuen Bekanntschaften führe. Oder wenn ich das alltägliche Leben in Familien, Geschäften, oder Fiestas betrachte.

Und diese Diversität gibt Sicherheit. Irgendwie in einem gewissen Sinne Anonymität.

Auch wenn Gewicht natürlich (wie zu Anfangs schon beschrieben) ein Thema bleibt. Allerdings sind diese Gespräche hier so normal wie über das Wetter. Und dadurch ist es auch irgendwie enttabuisiert und hat weniger Macht.

Was in diesem Sinne wieder die Einstiegssituation widerlegt (Jaja, schreiben ist ein Prozess).

Und das finde ich irgendwo wunderbar, tue mir aber auch irgendwie schwierig damit. 

Vor allem wenn sich jemand dickes selber als „dick“ bezeichnet. Mein erster Impuls ist da immer nein zu sagen und zu versichern, dass das nicht der Wahrheit entspricht.

Warum geben wir Worten so sehr die Macht uns zu verletzen? Wann ist dick zum Schimpfwort geworden? 

War das vor ein paar Jahrhunderten nicht sogar noch der Idealzustand eines Körpers?

Ist das nicht einfach nur ein weiteres beschreibendes Adjektiv? </p>

Wir müssen anfangen die Wertung, die mit diesen Bezeichnungen (dick, dünn, schlacksig, mollig) immer irgendwie automatisch mitschwingt, zu streichen und die Dinge nur noch zu sehen wie sie sind.

Jetzt habe ich mich wohl ziemlich in Rage geschrieben und hab das eigene kleine Rädchen in meinem Kopf in Gang gesetzt, bin aber noch nicht ganz fertig 😉

Denn zum Thema Body Image gehört natürlich auch immer noch ein anderes Thema – Essen.

Hier ist Essen im Generellen mit so viel mehr verbunden als mit reiner Nahrungsaufnahme.

Es ist eine Kultur, bei der die Familie zusammenkommt, Freunde, man trifft sich auf ein kurzes Mittagessen, in der Mensa mit den anderen Profes, es wird zusammen gekocht. Eine eigene Love Language. 

 

Und so kommt man garnicht herum um das Essen.

Und auch ich habe gelernt diese Kultur zu schätzen. Statt über fünf Mahlzeiten die Augen zu rollen freue ich mich mittlerweile, wenn ich bekocht (gut, ich hab auch niemanden mehr, der das gerade für mich macht), oder zum essen eingeladen werde.

Wenn Mario mir in seinem Büro Nüsse und Früchte zusteckt, Timons Mutter mir kleine selbstgemachte Schokolädchen schenkt, ich mit ihm Donnerstags zu Mittag esse, Mateos Vater extra für mich vegetarische Pasta kocht, oder ich mit meinen Freunden in meiner kleinen Küche eine Lasagne zusammenschustere.

Und egal ob dick oder dünn oder irgendwas dazwischen: „Iss noch was mein Kind ;)“ 

 

 

 

 

Das Thema Essen wird einfach normalisiert. Für mich zumindest. Das bedeutet natürlich nicht, dass es hier jedem so geht. Letztendlich kann ich nur für mich sprechen, wenn ich sage: ich habe mich noch nie so wohl in meiner eigenen Haut gefühlt.

Ich bin selbstbewusst, glücklich, ich esse und (ja das darf man ruhig zugeben) finde mich selber schön.

Und auch wenn das eine 10.000km Entfernung zu Deutschland gebraucht hat um so richtig zu wachsen, ist das etwas was ich mir behalten und zurück nach Europa mitnehmen möchte.

ch gehe jetzt Kekse backen, einfach weil ich Hunger und Lust auf Zucker habe.

Eine Antwort

  1. Hi, ich bin endlich mal dazu gekommen deinen Blog zu durchstöbern und mag ihn sehr 🙂

    Tatsächlich erlebe ich das Körpergefühl total ähnlich wie du – einerseits werden Körpereigenschaften sehr direkt (und mit teilweise Neugier?) angesprochen (Körperbehaarung, Figur, alles), andererseits fühle ich mich unfassbar wohl in meinem Körper. Und auch bei mir liegt das glaube ich an der Diversität der Körper, die mir täglich auf der Straße und im Alltag begegnen.
    Ich weiß nicht, ob es meine Wahrnehmung ist, aber ich spüre, dass so vielen Frauen Selbstbewusstsein ausstrahlen, auch wenn sie nicht „Normschön“ sind und (nach den Standards die mir in Deutschland unbewusst in die Gedanken gepflanzt wurden) „unvorteilhafte“ Kleidung tragen… Das ist sehr befreiend.
    Was bei mir aber glaub ich auch dazu kommt, ist, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht als sehr klein, sondern durchschnittlich groß wahrgenommen werde und Leuten wirklich in die Augen schauen kann. Ich glaube das macht auch etwas mit dem Selbstbewusstsein.

    Weiter so 🙂

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